Vom Diesel- zum Elektrofahrzeug: Der Wandel kommt

Teslas Electric Trucks trotzen der Physik

Es passiert nicht jeden Tag, dass der Chef der Daimler Lkw-Sparte das Produkt eines Mitbewerbers als "den Gesetzen der Physik trotzend" beschreibt – auch wenn man das wohl noch am ehesten einem Tesla-Produkt zutrauen würde. Tatsächlich war die kalifornische Firma für die letzte Erschütterung in der Automobilindustrie in Form eines elektrischen Lastwagens verantwortlich – der Tesla Semi, der angeblich in der Lage ist, bis zu 500 Meilen mit voller Ladung zurückzulegen und voraussichtlich schon nächstes Jahr auf den Markt kommen wird. Die E-Trucks werden, wie es scheint, in zwei Versionen verfügbar sein, mit einem Maximalradius von 300 und 500 Meilen pro Batterieladung. Die Fahrzeuge kosten je nach Batteriegröße und Reichweite 150.000 und 180.000 US-Dollar. Derartige Transportmöglichkeiten zu solchen Kosten sollten herkömmliche Diesel-Lkw-Hersteller in Angst versetzen, denn Unternehmen wie PepsiCo, Sysco, UPS, DHL und Anheuser-Busch haben bereits Vorbestellungen von 500 Lkws angekündigt – was zu Spekulationen darüber führt, welche weiteren Unternehmen mit Tesla bereits stillschweigend Vorbestellungen abgeschlossen haben. In Anbetracht der Tatsache, dass der Gründer und CEO von Tesla, Elon Musk, vor kurzem angekündigt hat, bis 2023 jährlich bis zu 100.000 Lkws zu produzieren, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es weitere Bestellungen gibt. Wenn man davon ausgeht, dass 75% der EU-Fracht und 70% der US-Güter auf der Straße transportiert werden, hat ein langsamer, aber stetiger Wechsel von Diesel- zu Elektrolastwagen nicht nur enorme Auswirkungen auf die Umwelt (Lkws tragen etwa 25% zum CO2-Ausstoß des Straßenverkehrs bei), sondern auch auf die Logistikbranche insgesamt. Dieser Artikel wird in Teil 1 den ersten von drei Hauptfaktoren untersuchen, die letztendlich die Geschwindigkeit bestimmen, mit der die unvermeidliche Umstellung auf elektrische Lastwagen stattfinden wird, nämlich Kosten, rechtliche Notwendigkeit und infrastrukturelle Machbarkeit.

E-Trucks auf dem Prüfstand

Kostentreiber bei E-Trucks: Kraftstoff, Wartung und Batterie

Selbst wenn man brandneue, branchenverändernde Technologien betrachtet, müssen sie sich doch an althergebrachten Metriken messen lassen. So wird die Geschwindigkeit, mit der Transportunternehmen Diesel-Lkws durch moderne, neue E-Trucks ersetzen, durch deren Kosteneffizienz bestimmt. Diese Kosteneffizienz ist nicht nur an den Fahrzeugpreis gebunden, sondern wird auch durch regionale Kraftstoffpreise, Wartungskosten und die benötigte Lieferdistanz (oder Batterie) beeinflusst.

Während beispielsweise der Tesla Semi nur zwischen 20.000 und 50.000 USD mehr als ein durchschnittlicher Klasse 8 Diesel-Lkw kostet, sind die Gesamtbetriebskosten stark von den Kraftstoffpreisen abhängig. Dies zeigt sich am besten, wenn man die von der EU und den USA prognostizierten Kaufmuster von Elektrofahrzeugen vergleicht. Da die Kraftstoffpreise in der EU im Vergleich zu den US-Kraftstoffpreisen vergleichsweise höher sind, sind die potenziellen Einsparungen für in Europa ansässige Unternehmen deutlich größer als für in den USA tätige Unternehmen. So wird erwartet, dass die EU bis zum Jahr 2030 mit 29% aller in Europa zugelassenen Lkws prozentual den größten Anteil an E-Trucks haben wird, während die USA im selben Jahr voraussichtlich nur 15% erreichen werden.

Dennoch wird erwartet, dass US-Unternehmen die Benzineinsparungen spürbar bemerken werden. Nach Schätzungen von Tesla wird die Integration von 40 Tesla Trucks bei Anheuser-Busch in seine 750 Fahrzeug-starke Flotte dem Unternehmen  8 Millionen US-Dollar pro Jahr an Kraftstoff sparen.

Die Wartungskosten, die alleine in den USA insgesamt 61,5 Milliarden US-Dollar ausmachen, sind ebenfalls ein zu beachtender Faktor. Und in der Tat: Bei Lkw-Wartungskosten von etwa 20.000 USD pro Lkw pro Jahr – wobei Ersatzteile den größten Teil ausmachen – sprechen die "geringere Teileanzahl" und eine geringere "Komplexität der Teile" bei E-Trucks für den Wechsel.

Aus diesem Grund erwartet DHL, eines der größten Logistikunternehmen der Welt und Mitglied des Tesla Semi Pre-Order-Clubs, mit dem Teilwechsel „Zehntausende von Dollar pro Jahr" einzusparen. DHL erwartet außerdem innerhalb eines Jahres eine komplette Amortisation der Kosten, nicht nur aufgrund der Kraftstoffeinsparungen, sondern auch aufgrund der niedrigeren Wartungskosten von Elektro-Lkws. Die Anzeichen verdichten sich, dass der Wandel eher früher als später kommen wird.
Dennoch ist es wichtig, im Kopf zu behalten, dass E-Trucks wie normale Lastwagen in allen Formen und Größen erhältlich sind. Einige dieser Größen werden offensichtlich preiswerter sein als andere. So arbeiten die potenziellen Tesla-Konkurrenten, wie Workhorse aus Ohio und Thor Trucks aus Kalifornien, an der Produktion von leichten und mittelschweren elektronischen Lastwagen, mit einem Maximalradius zwischen 100 und 300 Meilen pro Ladung. Jeder dieser Lkws kommt mit kleineren und damit billigeren Batterien aus als der Tesla Semi oder jede andere Art von Elektro-Schwerlastwagen. Diese kleineren Lkws, die Tesla ebenfalls im Angebot hat, will  Anheuser-Busch für die Lieferung von Bier auf Kurzstrecken von Brauereien zu Großhändlern einsetzen. Dies würde zwar bedeuten, dass der Übergang zu E-Trucks eher im Hinblick auf günstigere leichte und mittelschwere Lkws erfolgen wird, jedoch werden beispielsweise 80% der Güter der EU durch diese Art von Fahrzeugen befördert.
Unter Berücksichtigung des Kraftstoffverbrauchs, der Wartungskosten und der Batterielebensdauer deutet alles auf einen Übergang zu elektrischen Lastkraftwagen auf die lange Sicht hin.

Vorschriften und Infrastruktur für E-Trucks

Kampf gegen die Abgase: Der Tod des Diesels

Während die Kosten sicherlich ein entscheidender Faktor bei Unternehmensinvestitionen sind, ist es ebenso wichtig, die gesetzlichen Regelungen zu beachten. In den letzten Jahren haben sich mehrere Länder an einer globalen Vereinbarung, dem sogenannten Pariser Abkommen, zur Reduzierung der CO2- und Treibhausgasemissionen beteiligt. Einige Großstädte wie Madrid, Paris und Mexiko-Stadt haben daher sogar bevorstehende Dieselverbote angekündigt, während Frankreich und das Vereinigte Königreich ab 2040 ein Verkaufsverbot für Fahrzeuge mit fossilen Brennstoffen verhängt haben.

Wenn man bedenkt, dass der Verkehr zwei Drittel des Ölbedarfs der EU ausmacht und allein der LKW-Verkehr 9 % des weltweiten Ölbedarfs, ist es verständlich, hier den Hebel anzusetzen, um die Emissionen zu verringern und die international festgelegten Ziele zu erreichen. Das Ergebnis ist natürlich ein stärkerer regulatorischer Druck in Richtung Elektrolastwagen.

Ähnlich wie bei den Treibstoffkosten hinken die USA bei konkreten Umweltvorschriften hinterher. Dies deutet auf eine langsamere Einführung der E-Truck-Technologie in den USA hin. Und da Schwerlastkraftwagen, die eine große Mehrheit der Transportfahrzeuge ausmachen und 2-3 mal mehr Kraftstoff verbrauchen als leichte Nutzfahrzeuge, voraussichtlich die letzten Fahrzeuge sein werden, die auf den Elektroantrieb wechseln, müssen die Vorschriften weiter ausgedehnt werden, um Dieselantriebe weltweit zurückzudrängen.

Doch wenn man bedenkt, dass die weitere Verbreitung von E-LKWs bis 2050 bis zu 3,5 Millionen Tonnen Öl pro Tag einsparen könnte, was 40 % der heutigen Dieselnachfrage der LKWs entspricht, könnte eine stärkere und umfassendere Regulierung ein willkommener Schub für die Elektroindustrie sein.

Infrastrukturelle Umsetzbarkeit: Laden des E-Trucks

Um Kosten zu sparen, die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen und die Umweltverschmutzung zu reduzieren, kann die Integration von Elektrogeräten in den Fuhrpark profitabel sein – unter der Voraussetzung, dass eine Infrastruktur mit Aufladestationen vorhanden ist. Der vielleicht größte Hemmschuh beim Umstieg von Diesel- auf Elektrofahrzeuge ist die derzeit fehlende Infrastruktur auf den Autobahnen der Welt.

Dennoch bleiben gute Nachrichten für alle, die auf eine Zukunft mit elektrischen Fahrzeugen setzen: Infrastrukturlösungen sind in Arbeit. Während der Mangel an Ladestationen stärkere Batterien und somit höhere Kosten erfordert, ist Tesla Berichten zufolge bereits in Gesprächen mit seinen E-Truck-Kunden, um „Megacharger“-Stationen an relevanten Standorten zu installieren. Dies dürfte die zyklische Entwicklung zugunsten des E-Trucks vorantreiben: Je mehr elektrische Lastwagen Tesla verkauft und unterbringt, desto mehr externe Ladestationen werden entlang von Autobahnen, in Lagerhallen und außerhalb von Distributionszentren entstehen. Darüber hinaus würde die mögliche Einführung einer Intraday-Ladung kleine Batteriegrößen und zuverlässige Ladevorgänge ermöglichen, wodurch die Investition in Elektroflotten entfällt.

Elektrische LKWs: Bereit oder nicht, hier kommen sie

Es ist keine Frage ob, sondern wann. E-LKWs stellen ein großes Potenzial für die Reduzierung von Kosten und Umweltverschmutzung dar, und bei Preisen, die mit denen von Diesel-LKWs vergleichbar sind, ist der Wechsel unvermeidlich. Die Geschwindigkeit dieses Wechsels ist jedoch weniger konkret und während Teslas Produkt auf den Markt gehen wird, müssen wir weitere 4 Jahre warten, um zu sehen, ob seine Vorhersage zu Herstellung und Verkauf von 100.000 E-Trucks pro Jahr ab 2023 wie erwartet umgesetzt wird.